Heimatlied
Da liegt das gute Land wie hinter Fensterscheiben.
Ist zum Greifen nah und so schön seit altersher.
Wiesen im Mittagsglanz. Und von den Weidenbäumen
Fließen in das Gras große Schatten, grün und schwer.
Auf alten Dächern spielt Licht zwischen Hochantennen.
In den Kellern schläft ein vergnügter Wein im Faß.
Da prahlt ein Fürstenhaus! Bauern und Handwerksknechte
Haben's schwer bezahlt und erbaut mit Not und Haß.
Hier auf dem Brunnen sprach Thomas Müntzer
Einst vor vielen hundert Jahren als die Leut' aufrührig waren.
Wurden erschlagen, alle erschlagen.
Beim alten Stadttor ? da wo heut' Mäc Donalds ist.
Da liegt das gute Land. Eisgrauer Nebelregen
Hält es sehr geheim. Doch es ist zum Greifen nah.
Bei dem Kartoffelfeld steht dünner Wald, verlegen ...
Wo das Lager war. Die Baracken sind noch da.
Kommst du zur Stadt hinein, siehst du ein Bauwerk lauern,
Krötigbraun und blind: Das berüchtigte Gericht.
Ringsum in Kneipen glimmt traulicher Kerzenschimmer.
Discos dröhnen fromm und der Abend regnet dicht.
Hier blieb im Kriege nichts als Ruinen.
Wo im Schutt die Kinder spielten und nach alten Sachen wühlten.
Das ist vorüber. Lange vorüber.
Aber wie lange noch wird das vorüber sein?
Da liegt das alte Land, jung wie am kühlen Morgen ?
Ist zum Greifen nah und so tief im Dämmer noch.
Treu blickt das Heidekraut. Tödliche Strahlgeschosse
Sind darin versteckt, warten starr im Bunkerloch.
Aber am Vormittag drängen sich Friedensleute,
Vielfach, lustig, bunt, zwischen allen Häusern hin.
Manch todgeweihtes Haus ist wieder jung geworden.
Frech und farbenfroh wohnen Hausbesitzer drin.
Was kann draus werden wenn das noch mehr wird?
Wenn sich alle nicht mehr schämen und ?ihr Land? beim Worte nehmen ?
Und werden sagen: ?Wir wollen's wagen! Dies Land ist unser! Wir
Besetzen es instand?.
Noch liegt das gute Land wie hinter Fensterscheiben,
Doch zum Greifen nah ? schon als ob es unsers wär.