Ich entschloss mich zur Züchtung der Riesenblaubeere
Zur Wiederherstellung der Gärtnerehre
Und, um mir endlich selbst die Angst vor Pflanzen zu nehmen
Auch begann ich mich bereits vor den Klempnern zu schämen
Um zu zeigen, dass ich wirklich wie ein Profi klempnern kann
Legt' ich selbst die Rohrleitung zur Riesenblaubeerstaude an
Ich war gerade dabei den letzten Meter zu bohren
Da schoss eine schwarze Fontäne aus den Wasserrohren
So schmutz'ges, fettes, schwarzes Wasser, kann kein Wasser sein
Das riecht wie Erdöl, schmeckt wie Erdöl, das muß Erdöl sein!
Und ich dachte, während meine Finger das Zeug noch prüfend rieben
An Kasulzke, der mir einst ins Poesiealbum geschrieben:
„Hab' Erdöl im Garten, ob's stürmt oder schneit
Und mit dem Ersparten üb' Treu und Redlichkeit“
Die Riesenblaubeere war natürlich schnell vergessen
Ich füllte Töpfe, Kannen, Einwegflaschen. Unterdessen
Konnten meine Nachbarn nicht mehr länger untätig warten
Und strömten mit Eimern in meinen Garten
Und da kam auch schon, allen voran, ein Pressefotograf
Noch bevor der erste Reisebus mit Schaulust'gen eintraf
Ein Rentner aus der Nachbarschaft vergaß seine Arthrose
Winkte Autos auf Parkplätze, verkaufte Tombola-Lose
Im Tulpenbeet stand auch eine Pommes-Frites-Bude alsbald
Hare Krischna und eine fahrbare Bedürfnisanstalt
Ein gefürchteter Kinderchor kam, ein Ständchen zu bringen
Zunächst mal Orff'sche Schulmusik, dann begannen sie zu singen:
„Hab' Erdöl im Garten, ob's stürmt oder schneit
Und mit dem Ersparten üb' Treu und Redlichkeit“
Mein Erdölfund zog immer weitere Kreise
Mein Garten wurde bald zum Ziel mancher Pauschalreise
Ich sah viele alte Freunde sich ihr Fläschchen Öl eingießen
Die schon jahrelang nichts mehr von sich hören ließen
Auch der Papst sandte eine Friedensbotschaft an mich ab
Und schenkte mir das Fahrrad, das ihm Eddy Merkx einst gab
Eine Automobilfirma bot mir einen ganzen Haufen
Aktien, in der Hoffnung an, ich würde alles kaufen
Ein Konzertagent sagte: „Mann, ich mach' auf jeden Fall
In Ihrem Garten mein nächstes Jazz-Pop-Rock-Festival!“
Selbst meine langverscholl'ne Freundin Annabelle schickte
Eine Handarbeit, in die sie selbst die Worte stickte:
„Hab' Erdöl im Garten, ob's stürmt oder schneit
Und mit dem Ersparten üb' Treu und Redlichkeit“
Ich ließ mir meine Erdölsuchmethode patentieren
Ließ die Ölflut in Tanks und Kessel kanalisieren
Hatte schon den Bau einer Raffinerie erwogen
Da rief mich einer meiner Technologen:
„Das Vorkommen in Ihrem Garten“, sprach er ungerührt
„Ist die Pipeline, die vom Bodensee nach Wilhelmshaven führt!“
So ist das Leben, wie gewonnen, so zerronnen
Und so hab' ich mich auf mein ursprüngliches Ziel besonnen –
Doch das harte Schicksal, unter dem ich grad' noch gestöhnt
Hatte meine Gärtnermühe mit Erfolg gekrönt
Denn mit Ketchup und Pommes-Frites gedüngt, mit Bier begossen
War die Riesenblaubeere, mir zum Trost, gesprossen
Eine Riesenblaubeere, groß wie ein Klavier –
Komm, hilf mir mal tragen, dann teil' ich sie mit dir
Writer(s): Reinhard Mey
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