Herr Dÿring ritt wohl durch das Land,
Und freit eines zweiten Weibes Hand.
Führt heim die Braut, die er sich erfreit:
Das war eine böse und grimmige Maid.
Sie trat in den Schloßhof, da standen umher
Die sieben Kindlein und weineten sehr.
Die Kindlein standen in Furcht und Leid,
Mit zornigem Aug schaut auf sie die Maid.
Sie gab den Kindlein nicht Brot noch Bier:
"Soll Hunger und Haß nur haben von mir!"
Sie nahm den Kindlein die Bettlein neu:
"Sollt liegen alle sieb'n auf nackter Streu!"
Nahm ihnen das große Wachslicht fort:
"Sollt liegen allnächtlich am finstern Ort!"
'S war spät in der Nacht, und der Kindlein Gewein
Drang bis zur Mutter ins Grab hinein.
Und als es vernahm unter der Erde die Frau:
"Ich muß gehn und nach meinen Kindern schaun!"
Und stöhnte zum Herrn mit brünstigem Flehn:
"Laß, Herr, mich zu meinen Kindlein gehn!"
Sie bettelt so sehr und bettelt so lang,
Bis der Herr ihr endlich gewährte den Gang.
Sie hob sich und schwang sich mit starkem Gebein,
Das spaltet Gemäuer und Marmorstein.
Und als sie sich nahte dem Hofe alsbald,
Der Hunde Geheul die Luft durchschallt.
Und als sie kam an des Schloßes Tor,
Ihre älteste Tochter stand davor.
"Was stehst du hier, liebe Tochter mein?
Wo sind deine kleine Brüder und Schwesterlein?"
"Bist wahrlich ein Weib so schön und fein,
Doch bist du nicht liebe Mutter mein!"
"Oh! wie sollt ich sein schön und fein?
Tief in der Erd' ist mein Kämmerlein!"
"Meine Mutter war weiß mit Wängelein rot,
Doch du bist bleicher als der Tod!"
"Oh! wie sollt ich sein weiß und rot?
Bin ja schon so lange kalt und tot!"
Und als sie kam in die innerste Hall,
Da lagen die Kindlein und weineten all!
Sie kleidet das Eine und reinigt den Rock,
Sie kämmt und glättet des Andern Gelock,
Das Dritte wiegete sie auf ihrem Knie,
Das Vierte eyte und streichelte sie.
Das Fünfte nimmt auf den Schoß sie und Arm,
Das Sechste herzte am Busen sie warm...
Und wandt sich zur Tochter und sprach zu ihr:
"Geh, heiß Jungherr Dÿring kommen zu mir!"
Und als der Jungherr trat ins Gemach,
Mit zornigem Mute sie also sprach:
"Ich ließ dir in Fülle Bier und Brot,
Meine Kindlein sterben vor Hunger und Not!
Ich ließ ihnen blaue Bettlein neu,
Meine Kindlein liegen auf nackter Streu!
Ich ließ eine Menge großer Wachslicht dir,
Meine Kindlein liegen im Finstern hier!
So oft ich kehre zu dir zurück,
Sei Sorg und Angst und Fluch dein Geschick!
Und du, o Hündlein, wache mir du,
Daß Keiner den Kindlein ein Leides tu!"
Und wenn sie hörten knurren den Hund,
So reichten sie den Kindlein Nahrung zur Stund.
Und vor dem Geist, bei des Hundes Gebell,
Bekreuzten und segneten sie sich zur Stell'.
Und wenn scheu sie das Hündlein heulen sahn,
So schauderten sie vor der Toten Nah'n.