Ein Schreinermeister lebte einst in Oberpleis,
Seine Frau war ein paar Monate tot.
Ein Kind war ihm geblieben, mit Zähnen, blendend weiß,
Näschen spitz und mit Wangen rot.
Sie sang recht schön und ging ihm immer brav zur Hand
Und versüßte ihm den Schmerz.
Sie war wie ihre Mutter, damals als er sie fand,
Ach, es traf ihn direkt im Herz.
Er hatte unkeusche Wünsche, ihn quälte der Trieb,
Für ihn war's ja schon 'ne Weile her.
Doch sein Kind, nein, er hatte sie viel zu lieb,
Mit jedem Mal, wenn sie ihn küßte, wurd' es mehr.
Eines Nachts hielt er's einfach nicht mehr aus,
Er stand auf und schlich hinaus aufs Klo.
Und dann ließ er sich voll Schuldgefühl den Druck heraus
Und war ein paar Sekunden richtig froh.
Er wischte alles weg, fein und säuberlich,
Doch ein Tropfen blieb an seiner Hand.
Als er den Klodeckel zumachte, löste der sich
Und klebte am Toilettenrand.
Kaum war er wieder oben, da mußte sie Pipi,
Und dabei ist es dann wohl geschehn.
Sie setzte sich hinein und es drang ein in sie.
Wenig später lag sie schon in den Wehn.
Der Vater, die Sau, war der Bösewicht,
So pfiffen es die Spatzen herum.
Sie zerrten den armen Menschen vor ein Gericht,
Klagten ihn an, und vor Scham blieb er stumm.
Also wurde die Tochter als Zeugin verhört,
Sie weinte, das arme Kind.
Schwor, der Vater habe niemals ihren Schlaf gestört,
Sie sei Jungfer ohne jegliche Sünd.
Ein Bischof wurd gerufen, und ein Professor der Medizin,
Und ein hoher Mann vom Staat.
Die Chefs von Zeit und FAZ, eine Frauenrechtlerin,
Und sie schritten direkt zur Tat.
Das junge Ding tat gehorsam, was man ihr befahl
Und wurd höchst peinlich inspiziert.
Sie erklärten es für wahr, denn bald war Bundestagswahl.
Die Stimmung war sofort repariert.
Der Junge wurde direkt konfisziert
Und für 'ne höhere Laufbahn bestimmt.
Die Bildzeitung druckte es wie geschmiert:
Halleluja, ein Christuskind!
Der Stern wies es dann auch astrologisch nach,
Dafür wurde astronomisch bezahlt.
Der arme Bub wurde begafft, ob schlafend, ob wach
Und ohne Unterbrechung gemalt.
Die Damen und Herren von der Jungfernschaftsfeststellungskommission
Hatten ihn gleich als Konsortium adoptiert.
So wurde er erzogen, weise, gut, streng monoton
Vom Bösen einfach isoliert.
Sein höchster Lehrer war ein frommer Jesuit,
Von allergrößten Gottesdiensten freigestellt.
Er zeigte ihm das Leben, wie's ein Jesuit so sieht,
Eine edle, keusche Welt.
So wurde er ein wunderschöner junger Mann,
Ohne jegliche Operation.
Spielte jedes Instrument, das man lernen kann
Und sang mit unendlich reinem Ton.
Er lebte ohne Sünde, für ihn wardas kein Problem,
Er hielt sich fern von jedem Trieb.
Am Abend machte er sichs mit der Bibel bequem,
Hatte die andern und sich selber richtig lieb.
In sexueller Hinsicht blieb er stets infantil,
Trotzdem wuchs ihm ein langer Bart.
Und jedes Haar, das ihm aus seinen Locken fiel,
Wurd' als Reliquie aufbewahrt.
Jeden Mensch, dem er begegnete, liebte er so sehr
Und brach doch nie das Zölibat.
Sie nannten ihn Herrn und König, und noch vieles mehr.
Er überlebte jedes Attentat.
Seine Mutter ließ man nicht an ihren Jungen heran.
Ihm wurde nichts von ihr erzählt.
Hatten ihm erklärt, er sei nun mal ein Himmelsmann,
Also auch hier war er von keiner Schuld gequält.
Eines Tags hatte sie zu lange zugesehn,
Bloß weil sie sagten , daß es besser für ihn wär.
Sie wollte ihm bloß einmal gegenüberstehn,
Sie liebte ihn doch so sehr.
Er taufte zu Köln auf Heimatbesuch,
Am allerhöchsten Allerheiligentag.
Sie verbarg ihr Gesicht mit einem schwarzen Tuch,
Als sie es hob, traf es ihn wie ein Schlag.
Als sie ihm tief in die Augen sah,
Da ist es dann wohl passiert.
Weil sie so schön und doch gleichzeitig so traurig war
Und noch fast jung und quasi unberührt.
An dieser Stelle schließt das Lied vom Jesus von Oberpleis,
Und wenn du denkst, es schließt mit Blasphemie,
Dann liegt das nicht am Lied, auch nicht am Rest vom Erdenkreis,
Sondern nur an deiner kranken Phantasie.
Writer(s): Götz Widmann, Martin Simon
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