Mein Vater ist aus dem Krieg heimgekehrt
Hohlwangig, mager, doch sonst unversehrt
Heiß liegt der Hochsommer über dem Land
Und zum ersten Mal geh' ich an Vaters Hand
Durch die Felder, den Wald. Ich bin fünf Jahre alt
Das Laufen macht müde, bald machen wir Halt
Unter einer Buche, die ist riesig groß
Schwarze Wolken ziehn auf, ein Gewitter bricht los
Unter Vaters feldgrauem Mantel versteckt
Der regendicht ist und uns beide bedeckt
Nach Waffenöl riecht, nach Rauch, Erde und Schweiß
Lache ich in die Blitze, den Donner und weiß:
Um mich herum wird gleich die Welt untergehen
Aber ich bin geborgen, nichts kann mir geschehen
[Refrain]
Gute Tage und Stunden. Seit langem verschwunden
Wie für immer im Meer des Vergessens versenkt
Drängen nun aus der Tiefe wieder nach oben
Von der Erinnerung wie Schätze gehoben
Werden sie mir jetzt noch einmal geschenkt
Auf dem Rummelplatz. Abends. Bin eingezwängt
Zwischen Massen von Menschen gestoßen, gedrängt
Ein Gespenst aus Pappe, das unerlöst stöhnt
Vor der Geisterbahn. Aus den Lautsprechern dröhnt
Elvis. Lichtbänder, zuckend und grell
Dann plötzlich ein Lächeln, wohl zehn mal so hell
Aus der Menge, die mir entgegen quillt
Ein Mädchen – wem ihr Lächeln wohl gilt?
Sie hebt die Hand, sie winkt, sie meint mich
Sie wird fünfzehn sein, schätze ich, so alt wie ich
Die Papierblume, die ich geschossen hab
Ergreift sie. Rasch drängen die Leute mich ab
Zwingen mich, in ihrem Tritt zu gehen
Und das Mädchen? Ich hab es nie wieder gesehen
Ich mag so um die zwanzig Jahre alt sein
Ohne Geld und hungrig. Durchstreife allein
Bei Vollmond die Stadt und es hat mich der Duft
Frisch geernteter Früchte ringsum in der Luft
Der Geruch nach Orangen, Brot, Fisch und Anis
In die Hallen gelockt, in den Bauch von Paris
Berge von Äpfeln werden gebracht
Und ein Mann lädt ab, sieht mich, ruft etwas, lacht
Nimmt einen Apfel und wirft ihn mir zu
Und ich fange ihn, setze mich in aller Ruh
Den Morgen erwartend auf eine Bank
Reibe den Apfel an den Hemdsärmeln blank
Bis er glänzt, als wenn er der Vollmond wäre
Hoch über der Rue du Faubourg Poissonière
Writer(s): Hannes Wader
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