Auf dem höchsten Zweig der Birke vorm Haus
Singt die Amsel. Liebste, komm mit mir hinaus
Setzen wir uns und hören ihr Lied
Bei einem Glas Wein im Abendrot
Hier ist es friedlich, die Luft mild und still
Auch wenn da draußen die Welt dies Idyll
Nicht will und uns bedroht.
Das Haus ist bezahlt. Keine Schulden. Was für ein Glück
Wir legen sogar was für's Alter zurück
Kein schlechtes Gefühl, doch nun sagt man uns:
Wer Schulden bezahlt, ist asozial
Und wer spart, der hemmt und blockiert damit nur
Den Fluss des Geldes und der Konjunktur
Ach, weißt du, die können uns mal
Hierzulande gibt's Leute, die reden schon
- das Wohl aller im Blick – ganz offen davon
Ob man uns später nicht töten soll
Denn wir schadeten der Wirtschaft, sind wir erst mal alt
Und wir sollen es dulden, ergeben und still
Aber uns darf die Wirtschaft – so viel sie will
Schaden. Sie ist die Staatsgewalt
So vieles läuft falsch auf der Welt und sie steht
Auf dem Kopf, ist verbogen, verdreht
Theodor Wiesengrund Adorno sagt, dass es
Kein richtiges Leben im falschen gibt*
Und doch kommt hin und wieder, so scheint es mir
Mal ein guter Moment, so wie dieser hier
Wo man selbst dies Leben liebt
Und dass wir beide nach so langer Zeit
Noch zusammen sind. Fast eine Ewigkeit
Darauf trinken wir, stoß mit mir an
Hab' nie recht dran geglaubt, es nur immer gehofft
Kommt ja vor, dass sich jemand vom jemandem trennt
Den er schon dreißig Jahre lang kennt
Hört man doch in letzter Zeit oft
Der Mond geht auf, steigt höher und gleich
Spiegelt er sich mit dem Himmel im Teich
Mit den Wolken, den Bäumen am Ufer und jetzt
Schwimmt schon im Wasser der erste Stern
Auf so richtige Art auf den Kopf gestellt
Und in Ruhe betrachtet, gefällt uns die Welt
Ja, damit leben wir gern
* Theodor W. Adorno: Minima Moralia
Writer(s): Hannes Wader
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