Pietsch schrieb am 11. November 2023
Der Beitrag hat meinen Kopf ganz schön ins Arbeiten gebracht :D So viele Gedanken, ich schreib' sie einfach mal auf, obwohl ich eigentlich nie etwas kommentiere:
Ich würde sagen, dass der Sänger (≠ Erzählperspektive) eben nicht dafür plädiert, dass Menschen ihr eigenes Schicksal in die Hand nehmen und in der von ihm kritisierten Individualisierung ("the right to die alone") verharren, sondern erkennen sollen, dass sie ein gemeinsames Schicksal verbindet (Unterdrückung, Manipulation, Betäubung) und sich dagegen organisieren sollen. Die Menschen selbst sind ja Teil der Gesellschaft, daher glaube ich nicht, dass sie sich gegen diese auflehnen sollen, sondern gegen kapitalistische (Macht-) Strukturen und die Mechanismen, die ihrer Erhaltung dienen (Konsum, auch von Medien, die ich in diesem Zusammenhang eher als Instrument denn als eigenständigen Akteur verstehe). Die Vereinzelung in Kombination mit der omnipräsenten Ablenkung hilft, diese Verhältnisse zu stabilisieren. Das kann nur durch gemeinsames Handeln aufgebrochen werden. Deshalb finde ich, ist die Message des Songs indirekt: Gemeinsam sind wir stark und können etwas bewirken, also Einfluss auf unser *gemeinsames* Schicksal nehmen.
"Fighting for the right to die alone" verstehe ich im Übrigen so, dass die Idee der Individualisierung in der Gesellschaft so überhöht und verinnerlicht wurde, dass allein der Gedanke, sich um mehr als sich selbst zu kümmern zu müssen, als Unrecht erlebt wird. Auf diese Weise partizipieren Menschen in ihrer eigenen Unterdrückung, weil sie im Gegensatz zu den Profiteur*innen ("you're on your own" klingt für mich beinahe nach einem spöttischen "was kannst du allein schon ausrichten?") die Nachteile des Einzelgängertums nicht erkennen. Auch werden "die Mächtigen" überhöht ("I speak, you throw parades") und die verursachten Ungerechtigkeiten verdrängt. Etwas weiter gedacht, ist das vielleicht auch so, weil der Antrieb im Einzelkämpfertum auch darin liegt, es entgegen aller Wahrscheinlichkeit irgendwann selbst nach oben zu schaffen.
Danke für die Anregung! ^_^ Es hat richtig Spaß gemacht, mich mit dem Song mal auf diese Weise auseinanderzusetzen.