(Jeder schimpft heut auf Berlin, alle aber loben Wien, überall steht ein Tenor und singt Wiener Lieder vor. Niemals hörte ich in Wien Lieder aus der Stadt Berlin, doch, ich muss euch eingesteh'n, ich find sie genauso schön; es braucht nicht gleich von Mozart sein, es kann vielleicht auch so zart sein:
Lieber Leierkastenmann, fang noch mal von vorne an deine alten Melodien von der schönen Stadt Berlin. Stehst du unten uff'n Hof, wird mir jleich ums Herz janz doof; noch eenmal so'n junget Blut sein, noch eenmal im Tanz sich zärtlich drehn. Lasst man, Kinder, lasst man jut sein, unsre Stadt Berlin is doch janz schön.)
Justav, denkste noch daran,
Wie mal unser Jlück begann?
Ick saß in der Linie vier
Eines Tages neben dir.
Beide sprachen wir keen'n Ton,
Plötzlich hieß es "Endstation"!
Doch wir fuhren beide stumm
Noch mal um Berlin herum.
Der Schaffner sagte bloß mal so:
'Um zwölfe fahr'n wa ins Depot'.
Lieber Leierkastenmann,
Fang noch mal von vorne an.
Deine alten Melodien
Von der Liebe erstem Jrün;
Spiel noch mal det alte Stück
Von dem ersten zarten Glück;
Sing noch mal die alte Weise,
Wenn die Herzen lichterloh erjlüh'n,
Fahr?n wa uff die Hochzeitsreise
Mit der Linie vier durch Groß-Berlin.
Mutter blickt so freundlich drein,
Wickelt ihren Sechser ein,
Sie, die sonst so spart im Haus,
Schmeißt det Jeld zum Fenster raus!
Unten hebt es auf ein Kind
Mit der Aufschrift-- 'Jänzlich blind'!
Allen Leuten weit und breit
Tut det arme Jör so Leid.
Ist blind die arme Kleene ooch,
Den Sechser aber sieht se doch?
Lieber Leierkastenmann,
Fang noch mal von vorne an,
Von dem schönen Spree-Athen,
Wo sojar de Blinden sehn.
Wo der Mann uff eenem Bein
Abends packt de Krücken ein;
Plötzlich kann er wieder loofen,
Denn des Abends ist er uff'n Kien,
Denn da jeht der Junge schwoofen,
Dafür stammt er schließlich aus Berlin.
Manchmal träum ich nachts davon,
Ick sitz wieder am Balkon.
Oben vom Jeranientopp
Troppt's den Leuten uff'n Kopp.
An der Ecke Nummer drei
Liegt die kleine Bäckerei,
Und der Drahthaarterrier kläfft
Immer noch vor't Milchgeschäft.
Doch wach ich auch des Morgens kaum,
Dann seh ick, es war nur ein Traum.
Lieber Leierkastenmann,
Lass durch deines Liedes Bann,
Mich noch mal in Nummer zehn
Durch die alten Räume jehn,
Die nach einer Nacht vor Jahr?n
Nur noch Schutt und Asche war?n,
Noch mal in der Küche sitzen,
Wenn im Herd die Kohlen still verjlühn;
Kopp in beide Hände stützen,
Und dann lass mich träumen von Berlin.
Writer(s): Willi Kollo
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